„unbeschreiblich weiblich“ – Rezensionen von Ruth Fühner, hr2 Kultur

6.12.2015

Ruth FühnerEin spannender Abend erwartet uns Zontians am 10. November, denn die Journalistin von hr 2 Kultur, Ruth Fühner, wird uns in andere Welten entführen. Sie stellt uns sieben Bücher von Autorinnen und ein Werk eines Autors vor. Ruth Fühner schildert ihre Eindrücke in empathischer und liebevoller Art und Weise. Der Funke der Begeisterung für die Literatur springt schnell über.

 Sibylle Berg, „Der Tag, als meine Frau einen Mann fand“ – Chloe und Rasmus sind seit 20 Jahren verheiratet und fragen sich, ob das alles gewesen ist. Rasmus geht hinaus in die Welt und will es noch einmal wissen, bis sich seine Frau in einen anderen Mann verliebt... Ein lakonisches, trauriges und voller Sehnsucht steckendes Werk - aber auch komödiantisch und böse.

Maylis de Kerangal, „Die Lebenden reparieren“. Der Titel ist aus Tschechows „Platonow“ entlehnt. Im Mittelpunkt stehen die gut recherchierten Vorgänge einer Herztransplantation. Nach einem Autounfall wird ein junger Mann für klinisch tot erklärt. Sein Herz eignet sich jedoch für einen lange wartenden Patienten zur Transplantation. Der aus dem Französischen stammende Roman stellt Fragen nach den weitreichenden Folgen für die Familie und die Ärzte. Wie verkraften wir die Ereignisse zwischen Leben und Tod? Aufrührende und dramatische Szenen in einem knappen 24 Stunden Zeitfenster erzählt.

 Jane Gardam „Ein untadeliger Mann“ Das außergewöhnliche Leben von Eduard Feather im British Empire. Sein Leben ist ohne Tadel, aber er leidet an einer anerzogenen Gefühlskälte. Erst als seine Frau Betty stirbt, bricht er auf, um den Weg zu sich selbst zu finden. Das Werk zeigt auch eine Art des britischen Sadismus.

 Dorothy Baker „Zwei Schwestern“. Die Autorin lebte von 1097-1968 in den USA, endlich ist ihr Werk aus dem Amerikanischen ins Deutsche übersetzt worden. Sie schrieb „Zwei Schwestern“ im Jahr 1962. Ein gleißend heller Roman über die symbiotische Beziehung von Zwillingsschwestern. Er ist erzählt in schönen Bildern wie die Beschreibung des Lichts auf dem Wasser von der Golden Gate Bridge aus gesehen. Eine späte Würdigung in Europa.

 Christine Wunnicke „Der Fuchs und Dr. Shimamura“ Um 1900 gab es die sogenannte Fuchsbesessenheit in Japan tatsächlich. Es waren insbesondere Frauen, die mit diesem Phänomen zu tun hatten. Alte Riten, die an Exorzismus erinnerten. Im Roman wird Dr. Shimamura schließlich selbst vom Fuchs befallen und flieht von Japan nach Europa. Es gibt drei Zeitebenen, in denen eine fiebrige Phantasie zart und derb lebt. Der Fuchs ist dabei immer unmerklich anwesend.

 Julia Voss „Hinter weißen Wänden“, das Werk setzt sich kritisch mit dem Kunstbetrieb auseinander. Es zeigt auf, dass es ein Mythos ist zu meinen, das Beste einer Epoche setze sich durch. Sammler treiben die Preise hoch, Museen müssen trotz sinkender Etats darauf reagieren, und der Steuerzahler wird ebenfalls zur Kasse gebeten. Und Frauen auf dem Kunstmarkt sind immer noch unsichtbarer als Männer. Welche Stimmung entsteht dazu im Kontrast, wenn wir alleine eine Ausstellung hinter weißen Wänden besuchen?

 Siri Hustvedt „Die gleißende Welt“ Im Mittelpunkt steht Harriett Burden, die Witwe eines angesehen New Yorker Galeristen. Sie wurde in der Kunstszene der Stadt immer nur als Frau des Galeristen angesehen, ist selbst aber talentiert. Nach dessen Tod entwickelt sie ein Experiment als Installationskünstlerin: drei Ausstellungen ihrer Werke präsentiert von drei Maskenmännern. In Wahrheit sind es ihre Werke. Aber das Experiment geht schief. Harriett sabotiert sich schließlich selbst und wird als „verrückt“ wahrgenommen. Eine Eierstock Krebserkrankung setzt ihrem Leben ein Ende. Hustvedt arbeitet die Funktionsweisen menschlicher Wahrnehmung besonders gut heraus.

 Stephan Wackwitz „Die Bilder meiner Mutter“  Der Autor erzählt das Leben seiner Mutter Margot, die eine Ausbildung zur Modezeichnerin in Berlin gemacht hat, dann aber, als der Vater eine Stelle am Goethe Institut bekommt, die beruflichen Pläne hinten anstellt und Hausfrau und Mutter zweier Kinder wird. Der Sohn empfindet das als enttäuschend. Die Kunst stirbt ab. Margot Wackwitz verkümmert. Mit 70 Jahren ist sie 1990 an Krebs gestorben.

Diese Biografie ist symptomatisch für diese Generation.

Wackwitz endet mit einem Buchtitel der Theologin Dorothee Sölle „Das Recht ein Anderer zu werden.“

Ein wunderbarer Abend. Herzlichen Dank!

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