Grußworte von Esther Gebhardt zur Veranstaltung: „Das geht uns alle an: Prostitution in Deutschland"

Esther Gebhardt, Vorsitzende des Vorstands des Ev. Regionalverbands Frankfurt am Main

Grußwort zur Veranstaltung;

„Das geht uns alle an: Prostitution in Deutschland"

 Sehr geehrte Veranstalter, liebe Besucherinnen,

 ich begrüße Sie heute zu einer spannenden Veranstaltung in der Diakoniekirche Frankfurt am Main mit dem – wie ich finde – sehr eindrücklichen Titel: Das geht uns alle an: Prostitution in Deutschland.

Es ist ja schon ein merkwürdig spannungsreiches Thema, mit dem wir uns heute Abend beschäftigen werden. Prostitution: Es gibt sie, solange wir zurückdenken können, (nachweislich erforscht seit dem Mittelalter) mindestens seitdem es organisierte Formen von gesellschaftlichem Zusammenleben gibt. Sie ist vorfindbar in vielen Kulturen und Religionen (Tempelprostitution) und sie befindet sich offensichtlich in unserer westlichen Gesellschaft immer in einem merkwürdigen Spannungsfeld von resignierter Duldung auf der einen Seite (man nimmt sie hin, weil sie unvermeidbar und das sogenannte „ kleinere Übel" zu sein scheint) und Bekämpfung sowie moralischer Ächtung auf der anderen Seite. Prostitution geht gleichzeitig einher mit den Problemen der Ausbeutung, der gesundheitlichen und seelischen Vernachlässigung von Frauen, der Gewaltausübung und der kommerziellen Ausnutzung von wirtschaftlicher Abhängigkeit und Not.
Nicht einmal die Kirchen sind frei von dieser Ambivalenz der Bewertung, wie sich schnell herausstellt, wenn man kirchliche Positionen zur Prostitution in der Geschichte der Kirche nachliest.

Es wäre ein spannendes Thema, allein den Umgang mit Prostitution in den verschiedensten gesellschaftlichen Systemen zu erforschen.
Auch die öffentliche Rede sowie der Umgang mit Prostitution changiert zwischen schamvollem Verschweigen und verächtlicher Rede, lüsternem Hinschauen und moralischer Brandmarkung. (meistens der Prostituierten, selten der Freier)! Es gibt sie, die Prostitution, und sollte es sie doch nicht geben; sie ist vorhanden, und soll möglichst nicht sichtbar werden; es wird über sie geredet und doch sollen die finsteren Details und Hintergründe lieber verschwiegen werden.
Eine ganze Industrie des organisierten Menschenhandels verdient an ihr einschließlich krimineller und halbkrimineller Organisationen, die sich über sie finanzieren.
Es ist wohl ein Thema, in dem auch etwas von der noch immer existierenden Doppelmoral unseres gesellschaftlichen Umgangs mit Sexualität von Männern und Frauen deutlich wird.
Vielleicht war dies damals, 2002, ein gut gemeinter Ansatz, bei der Neufassung des Prostitutionsgesetzes anzunehmen, dass eine Legalisierung der Prostitution diese Doppelbödigkeit im Umgang mit dieser Thematik aufhebt und die Prostituierte zu einem integrierten Mitglied unserer Gesellschaft macht.
Nur – das hat die Entwicklung deutlich gezeigt: Dieser Schuss ist nach hinten losgegangen! Es ist höchste Zeit, dass über die Folgen des liberalen Prostitutionsgesetzes öffentlich diskutiert wird und eine gesetzliche Veränderung an vielen Punkten nachvollzogen wird.

Das geht uns alle an: Dieser Satz trifft es auf den Punkt. Es geht uns alle an, weil wir als Mitglieder dieser Gesellschaft sowie individuell als Frauen und Männer von diesem Thema betroffen sind. – Allein aus diesem Grund kann auch ich nicht – wie vielleicht von Ihnen erwartet – ein neutrales und abgewogenes Grußwort zu diesem Abend sprechen.
Als Vertreterin der Evangelischen Kirche muss ich zugestehen, dass auch die christliche Kirche über den Lauf der Jahrhunderte hinweg leider keine eindeutige und konsequente Haltung zur Prostitution gefunden hat. Ich bin aber froh, dass der christliche Verweis auf den Umgang Jesu Christi mit Prostituierten dazu geführt hat, dass die Kirche deutlich macht, dass sie eine Verachtung oder Brandmarkung von sich prostituierenden Frauen nicht mitmachen kann. Das ist auch Grundlage ihrer Arbeit mit Prostituierten in Frankfurt. Eine Vertreterin der Beratungsstelle Tamara wird nachher im Podium vertreten sein.

Das geht uns alle an: Das geht uns an, weil Prostitution eine grundlegende Aussage vom Umgang mit Sexualität und vom Umgang der Geschlechter untereinander macht. Das christliche Leitbild des Umgangs der Geschlechter ist gekennzeichnet von Gleichheit, Konsens, Verlässlichkeit, Vertrauen und Partnerschaft – wenn man das ernst nimmt, ist nichts davon auf Prostitution anwendbar. Dem biblischen Verständnis vom Umgang der Menschen untereinander ist der Würdebegriff inkludiert. Die Würde des anderen zu wahren muss auch Thema einer christlichen Sexualethik sein. Demnach ist jeder pornografische und kommerzielle Umgang mit Sexualität ausgeschlossen, ebenso wie Beziehungen, die auf Ausnutzung von Abhängigkeit beruhen, Notlagen erzeugen; in denen Gewalt vorkommt (und das bedeutet Prostitution) dem christlichen Menschenbild entgegenstehen.
Aus diesem Votum erkennen Sie sicher, dass meine persönliche Haltung zur Prostitution klar und positioniert ist – denn Prostitution geht auch mich an, als Frau und in meiner Selbstachtung. Es betrifft auch mich, wenn ich hinnehmen muss, dass Sexualität käuflich ist und in der Prostitution die Frau (auch der Mann) zur Ware wird.

Das geht uns alle an: Prostitution geht aber auch die Männer in unserer Gesellschaft an, die sich fragen müssen, ob sie es denn akzeptieren würden, wenn ihre Ehefrauen, Töchter oder Mütter als Prostituierte tätig werden müssten. Eine Frage, die sich jeder Freier einmal stellen sollte, der im Begriff ist, eine Prostituierte aufzusuchen.
Prostitution geht also auch die Männer an, weil sie die Frage nach dem Umgang mit ihrer Sexualität, ihrem Körper und ihrer Beziehungsfähigkeit darstellt...
Es ist ein Strauß von vielen, vielen Fragen und Problemen, die sich hinter dem Titel verbergen und die sicher nicht erschöpfend in einer einzigen Veranstaltung abzuhandeln sind. Dennoch ist heute ein guter Ort, um diese Fragen und Probleme öffentlich zu diskutieren mit dem Ziel, die Bewusstseinsbildung in unserer Gesellschaft voranzubringen, in Richtung auf einen ehrlichen, gewaltfreien und von kommerziellen Interessen freien Umgang mit der Sexualität.

 Es hat einmal eine Zeit gegeben, in der eine Welt ohne die Arbeit von Sklaven nicht vorstellbar war. Der Impuls, dass Sklavenarbeit mit Menschenwürde nicht vereinbar ist, hat den Anstoß gegeben, zumindest in westlichen Gesellschaften die Sklaverei abzuschaffen. Vielleicht gelingt es einer ehrlichen und aufgeklärten Diskussion in unserer Gesellschaft irgendwann einmal, Prostitution, die Sexualität zur Ware macht, als menschenunwürdig abzuschaffen. Das wäre eine Hoffnung für die Zukunft....

 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

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