„Jenseits von Kurz- und Langlisten, oder: Was der Deutsche Buchpreis zum Lesen übrig lässt“

27.12.2014

Dr. Alf MentzerDr. Alf Mentzer, Leiter des Ressorts Literatur bei hr2-kultur, stellt beim Clubabend am 11. November, der traditionell dem Buch gewidmet ist, Lesenswertes vom aktuellen Büchermarkt vor.

Am Anfang steht der Debütroman „Machandel“  von Regina Scheer. Das Leben in dem Kunstort ‚Machandel‘ enthält die DNA der DDR. Nah an den Geschehnissen in der DDR ereignen sich die Geschichten als Rekonstruktion und Dekonstruktion der Vergangenheit. Eine Reise mit vielen Lebensgeschichten, die in den 30er Jahren beginnen und bis in die Gegenwart reichen.

„‚Vaterjahre‘ von Michael Kleeberg ist einer der grandiosesten Romane, den ich in den vergangenen Jahre gelesen habe“, sagt der Literaturkenner. Kleeberg, der für sein literarisches Werk mit dem Anna-Seghers-Preis (1996), dem Lion-Feuchtwanger-Preis (2000) sowie dem Irmgard-Heilmann-Preis (2008) ausgezeichnet wurde und 2008 Mainzer Stadtschreiber war, spielt im zweiten Teil der großen Karlmann-Trilogie wunderbar mit der Sprache. Es ist ein „Jungsbuch“, das das unbekümmerte hamburgisch-norddeutsche Geschäfts- und Gesellschaftsleben um die Jahrtausendwende widerspiegelt. In die Geschichte von Karlmann Renn integriert Kleeberg den Terrorangriff auf die Twin-Towers am 11. September 2001, ein gelungener Kunstgriff.

Für diejenigen, die wissen wollen, was uns gegenwärtig bedroht, hat Mentzer „Der Circle“ von Dave Eggers ausgewählt. Die Internetwelt wird im realen Leben zur Bedrohung und entpuppt sich als eine Macht, die in die Tyrannei führt. Eine ähnliche Thematik greift Marc Elsberg in „Zero – Sie wissen was Du tust“ auf. Beschrieben wird eine Welt, in der wir uns immer mehr von Apps steuern lassen. Der Roman handelt von den gigantischen Daten, die die Privatwirtschaft und staatliche Institutionen sammeln und auswerten. Eigentlich sollte die Handlung in der Zukunft spielen, die Realität hat sich jedoch schneller eingestellt, als vom Autor geplant – ein hochaktuelles und brisantes Buch.

Als begnadeten Unterhaltungsschriftsteller bezeichnet Mentzer Kristof Magnusson, der mit „Arztroman“ seinen dritten Roman publiziert hat. Wie schon sein letztes Werk „Das war nicht ich“, das 2010 in der Finanzwelt spielt, lebt sein neuer Roman von der großartigen Rechercheleistung im Bereich der Medizin. Ein unterhaltsamer Roman mit einem unterhaltsamen Plott, der „gesellschaftliche Prozesse und Mentalitätsveränderungen in eine schnurrende Handlung bringt“, so Mentzer.

„Aller Liebe Anfang“ von Judith Hermann lobt Mentzer für die Art wie sie Stimmungen und Lebensgefühle erzeugt, in „Die Ermordung Margaret Thatchers“ von Hilary Mantel „verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Phantasie“ und Harald Martenstein schafft es in „Die neuen Leiden des alten M.“ die Beiläufigkeit des Alltags so aberwitzig zu erzählen, dass der Literaturexperte Alf Metzer „bei der Lektüre Tränen gelacht hat“. 

Zurück zum Archiv